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Samstag, 14. Oktober 2023

SCHICHTWECHSEL WERKSTATT

Der Ministerpräsident Thüringens Bodo Ramelow möchte, wie die Staatskanzlei mitteilte, „Vorurteilen und Klischees über Werkstätten für Menschen mit Behinderungen aktiv begegnen und einen Einblick in die vielfältigen Leistungen der Werkstätten ermöglichen“. (1) Er hat sich dafür das Samocca-Café in Weimar ausgesucht, das unüblicherweise normale Arbeitnehmerrechte garantiert. Dass dies sonst fast ausnahmslos nicht der Fall ist, dürfte auch der ehemalige Gewerkschafter Ramelow wissen. Für alle Menschen, die es nicht wissen: die meisten Werkstätten bezahlen nicht mal den Mindestlohn. Die Produkte, die man bespielsweise auf dem Weihnachtsmarkt kaufen kann, bekommen kein Fairtrade-Siegel, wie etwa Produkte aus Afrika, um sicherzustellen, dass für deren Herstellung niemand ausgebeutet wurde. Außerdem: In Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonventionen steht eindeutig, dass eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung in allen Angelegenheiten von Beschäftigung und Beruf verboten sein sollte. (2) Die Aktion „Schichtwechsel“, bei der Menschen mit und ohne Behinderungen an einem Tag ihre Arbeitsplätze tauschen, kann man somit schlichtweg als „Verkaufsshow“ von Werkstätten für behinderte Menschen ansehen. (3)
Oder hat sich durch die Werkstätten die Vermittlungsquote in den allgemeinen Arbeitsmarkt etwa erhöht? Aktuell liegt sie bei gerade mal 1 Prozent. Etwa 320 000 Menschen arbeiten derzeit in Werkstätten – diese Art der Beschäftigung trägt nicht zu ihrer Inklusion in die Gesellschaft bei, sondern fördert noch ihre Parallelwelt in Sonderschulen, Sonderarbeitsplätzen etc. Übrigens: Deutschland hat beim kürzlich veröffentlichten Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auch schon viel negative Kritik aus Genf erhalten. (4)
Als informative Lektüre für Bodo Ramelow und andere Interessierte empfehlen wir den vor wenigen Tagen erschienenen Roman „Zündeln an den Strukturen“ von Ottmar Miles-Paul. (5) Er hat in seinem Buch viele Fakten eingebaut, etwa das Budget für Arbeit, das für eine Assistenzhilfe am Arbeitsplatz beantragt werden kann.
Der Verfasser dieses Artikels Markus Walloschek wird sich als Kandidat für den Thüringer Landtag 2024 bewerben, damit Inklusion nicht zum „Ideologieprojekt“ wird, wie es die Thüringer Faschisten bezeichnen (6), sondern täglich gelebt werden kann, um Menschen zu vereinen.

(1) https://twitter.com/thueringende/status/1712116310908227599
(2) https://www.behindertenrechtskonvention.info/arbeit-und-beschaeftigung-3921/
(3) http://www.isl-ev.de/index.php/aktuelles/nachrichten/2439-und-taeglich-gruesst-das-murmeltier
(4) https://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/b/b6/Staatenbericht_2023.pdf
(5) https://www.epubli.com/shop/zuendeln-an-den-strukturen-9783757579388
(6) https://www.fr.de/politik/news-hoecke-afd-inklusion-empoert-sommerinterview-aussagen-kinder-mit-behinderungen-zr-92451868.html

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